2 · S-P-H-31 vs. Yōkai


Blutverklebte Haarsträhnen umrahmten die Ansätze zweier kleiner, schwarzer Hörner und fielen dann in ihr dunkelrot glänzendes Gesicht, aus dem die Rubine vergnüglich mordlüstern funkelten. Ihre schmalen Lippen öffneten sich leicht zu einem zuckersüßen Lächeln, das zwei blitzweiße obere Fangzähne freigab. Das Mäandermeer pulsierte dunkel durch ihr Kleid aus flüssigem Tod. Die verfinsterten Runennarben hatten sich deutlich ausgebreitet; verließen ihren Rücken bereits; wuchsen ihr um Hals, Dekolleté, Flanken, Hüften, Po und Oberschenkel, wie die Dornenranken der süß-schwarzen Brombeere. Die zwei langen, symmetrischen Narben unter ihren Schulterblättern hatten damit begonnen, aufzuplatzen; klafften mit jedem Atemzug des Flammenkinds einen Spalt weit auseinander und ließen in sich das Schwarzschuppenmuster erahnen.

Azur ließ das Notizbuch fallen und schritt mit geöffneten Armen, als Zeichen des unbewaffneten Friedensangebots, auf sie zu. Er zwang sich, ihr Lächeln nachzuahmen, was ihres nur breiter werden und auch die unteren Eckzähnchen aufblitzen ließ. Durchaus in Sprungweite blieb er vor dem Geschöpf stehen. Beide starrten sich schweigend an.
Das Flammenkind aus Überraschung – Azur aus schierer Faszination.

Neko wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen, bevor sie ein einziges Wort darüber brachte.
Azur wusste nicht, mit was er eigentlich rechnete. Mit einer tiefen, diabolischen Stimme, die ihm seinen Tod verkündete? Mit einem hexenhaften Gekrächze? Oder dem wilden Kreischen einer rasenden Furie? – weit gefehlt.

»Hi«, grinste sie ihm engelsgleich entgegen. – Einfach nur ›Hi‹. Dann strahlte sie von Ohr zu Ohr.

Er konnte ein überraschtes Aufgrunzen nicht unterdrücken, bevor er die Arme wieder herunternahm und ebenfalls mit einem »Hi« antwortete.

»Machst du'n hier?«, war das Nächste, was sie ganz unschuldig von sich gab und sich dann aufrecht auf ihren schwarzen Fleischthron setzte. So, dass sie ihre Beine bequem baumeln lassen konnte. Mit schief gelegtem Kopf wartete sie auf eine Antwort.

»Ich ... hab dich gesucht.«

»Mich? Warum?«

»Weil ... du mir etwas weggenommen hast, das ich gern wiederhätte.«

»Nein, das is jetz meins! Meins, meins, meins! Du meinst doch den da, oder?« Sie pikste sich mit dem Zeigefinger in das vollgefressene Bäuchlein.

»Die Kernhälfte, meine ich, ja.«

»Ääähm... nö! Aber wo wir grad bei Kern-Dingsis sind, soll ich dir mal was eeecht super-duper-cooles zeigen?«

»Ich will ganz und gar nichts ›super-duper-cooleres‹ als meinen Kern bekommen und mein Leben behalten, du kleiner Teufel«, dachte er. –
»Klar, Kleine. Was denn feines?«, sagte er.

Neko fing mit einer Hand vor dem Mund an, zu glucksen und zu kichern, dann winkte sie ihn näher zu sich heran und flüsterte hörbar aufgeregt: »Wollte der Herr hier vor mir verstecken.«

Azur rutschte das Herz in die flutnassen Stiefel. »Ich vertrau dir nicht. Eine falsche Bewegung und ich ...« Ohne sie für eine Millisekunde aus den Augen zu lassen, wagte er sich noch einen dreiviertel Schritt näher.

»Es is da drinne. Musst du schon reingucken.« Sie wühlte mit einer Hand in der Leiche und schob ein paar Organe zur Seite.

Wenn innere Warnleuchten selbst kleine Warnleuchtchen besäßen, wären diese in Azur jetzt garantiert durchgebrannt. Doch als aus dem toten Körper ein rotes Licht an die Decke des Raums zu tanzen begann, gewann die Neugier in ihm für einen winzigen Moment die Oberhand und ließ ihn sich über das Loch im Schuppenpanzer des getöteten Herrn beugen.
Gespenstische Stille herrschte und seine Augen wurden weit, als er es sah.

Der Bio-Link blitzte hell-lila auf. »Gefahr! Yōkai geortet! Nähert sich schnell!«

Azur zuckte so heftig zusammen, dass seine Stirn auf den Kadaver prallte. Im selben Augenblick rammte sich die schwarze Langklaue um Haaresbreite über seinem Kopf in den Toten. »Was ...« Er ließ sich auf den Boden fallen, bevor das Flammenkind erneut zustechen konnte.

»Bastard!« Ein giftiges Fauchen und Neko sprang mit einem gewaltigen Satz auf ihn, hob die Klinge und – wurde von einem plötzlichen Prankenhieb durch eine zersplitternde Glassäule quer durch den Raum geschleudert. Das bestialisch tiefe Brüllen, das folgte, wetzte aus dem Schatten hinter ihr her, in einem Ansturm, der den Boden erzittern ließ. Azur kroch panisch zum Notizbuch.

»Präsenz Yōkai!«, meldete Adina. »Gestalt: Carnivor; Cattus-Ursus magna.«

»Riesiger, fleischfressender Katzen-Bär«, musste Azurs Gehirn nicht lange übersetzen, denn Adina tat es in ihm. Anders hätte er das Ding auch nicht beschreiben können, das da gerade mit voller Wucht das Flammenkind gegen die nächste Wand hämmerte. Aufgerichtet gute vier Meter groß, Pranken wie Gullideckel, besetzt mit Klauen, länger als der blaue Flammendolch, den er jetzt in der Hand hatte. Azur griff sich mit der anderen das schwarze Schwert, das Neko verloren hatte und stürzte sich hinterher.

Das Flammenkind erholte sich rasch vom ersten Einschlag und fuhr ihrerseits die Krallen aus. Wortwörtlich. Tatsächlich wuchsen ihre Nägel beachtlich zu langen spitzen Nadeln, mit denen sie sich jetzt schäumend vor Wut dem riesigen, haarigen Monster entgegenwarf. Die Hände wie zum Gebet gefaltet, blockte und durchstach sie dessen Tatze, die erneut auf sie niederging. Der Yōkai brüllte vor Schmerz, doch setzte sofort mit der anderen Pranke nach. Diese schlug ein tiefes Loch in die Metallwand, denn Neko rutschte flink an ihr hinunter, durch seine Beine hindurch, hinter ihn. Den anrennenden Schlichter sah sie zu spät. Und er hatte ihr Manöver nicht vorhergesehen. Ungebremst stieß er ihr mit dem Knie in den Magen, bevor er, beide Waffen voran, in den
Monster-Bär rauschte. Scheinbar völlig unbeeindruckt davon packte dieser Azur am Kopf und zog die Klingen samt Kämpfer wieder aus sich heraus. Auf Augenhöhe brüllte er Azur ein gurgelndes »Hraaa!« ins Gesicht. Dem strampelnden Schlichter, der gedanklich schon seinen zerquetschten Schädel im Rachen des Ungetüms verschwinden sah, schossen spontan zwei Dinge durch den selbigen. Katze war untertrieben. Eher Tiger, was auch die schwarzen Streifen der Gesichtszeichnung im sonst grauen Fell untermalten. Und: er starrte in ein einäugiges Gesicht, das ihn, trotz Maul voller Reißzähne, irgendwie freundlich ansah. – »Seltsam.«
Noch wild mit den Waffen fuchtelnd wurde er fast schon beiläufig in den nächsten Stuhl geworfen, denn die wohl weit gefährlichere Gegnerin hatte ihre weggebliebene Luft wiedergefunden. Wie wild fauchte sie dem einäugigen Kontrahenten entgegen und sprang ihn wie ein Geschoss von allen Seiten an; wich seinen Prankenhieben aus und stach und kratzte auf ihn ein, wo sie nur konnte.

Während sich Flammenkind und Yōkai ihr lautstarkes Gefecht lieferten, wurde es in Azurs Ecke auffallend still. 

»Hätte ich bloß diesen religiösen Schinken mitgenommen, dann hätte ich ihr Vorankommen wenigstens ordentlich ausbremsen können. Scheiße! Und wie soll ich das Vieh da jetzt aufhalten?«

Adina las definitiv seine synaptischen Gedanken mit, bei dem was sie nun sagte. »Was benötigt der Herr für die Gabe der Manifestation?«

»Was ich ... Bücher!«

»Physische Literatur befindet sich in Raum 11 – die Privatbibliothek des leider dahingeschiedenen Prätors. Ziemlich nostalgisch, wenn ich das hinzufügen darf.«

»Danke, Adina. Du bist ein Goldschatz!«

»Ui, gern geschehen. Hihi.«

Azur machte das Symbol der Elf schnell aus und sah das kleine
»Billy-Regal?« bereits durch die sich öffnende Glastür.
Den fluxen Gedanken an IKEA-Filialen im Weltraum ersetzte er schnell durch einen vielversprechenderen, als er ans Ende des Raums spurtete. »Bei der Bewaffnung dieses Schiffs muss es hier ja was Brauchbares geben!« Die letzten Meter rutschte er bereits auf Knien und mit suchbereitem Finger voran vor das untere Fach des Regals. »Waffen, Waffen, Waffen ...« befahl er seinem suchenden Blick.
Die Titel: „Origami für Anfänger", „Dra'ák-Pflanzenheilkunde" und „Bedienungsanleitung für Nahrungsmittel-Synthetisierer" bremsten seine Euphorie erstmal ein Stück.
Zweites Fach: „Johann Wolfgang von Goethe – Faust I + II", „Firestarter von Stephen King" und „Dárzè Cegàn Shâ von Filîtià Shey".
Was ihm des Pudels Kern in Waffenform bringen könnte, wollte er nicht herausfinden. Auch auf eine Teufelsbeschwörung konnte er, bei den Gestalten da draußen, getrost verzichten. Das zweite Buch hatte er tatsächlich selbst in seinem Regal, aber zu seinem Ärger noch nicht weit genug gelesen, um abschätzen zu können, ob ihm die Manifestation der Protagonistin weiterhelfen würde, oder es ihm überhaupt gelang. »Bei meinem Glück würde Charlie wohl eher noch den pyrokinetischen Tropfen Öl in Nekos Feuer gießen. Sich mit ihr zusammentun. Aber ... könnte ich wirklich auch lebendige ...Später.« 
Das letzte Buch klang seltsam verlockend, doch sein Irdisch–Dra'ák war noch arg begrenzt.
Er stand auf, um das dritte Fach zu überfliegen, da zerschepperten im großen Labor vermutlich die restlichen Glaszylinder in Millionen Teile. Ein rascher Blick über die Schulter bestätigte seine Vermutung und auch, dass die beiden noch ausreichend miteinander beschäftigt waren.
Drittes Regalfach: »Bingo!« Sofort riss er das bekannte Buch heraus und rannte zurück in die jetzt stark verwüstete Kampfarena.

Gerade noch konnte er einem umherfliegenden Tisch ausweichen, den Neko im Vorbeiflug noch in Brand gesetzt hatte. Überhaupt waren mittlerweile mehrere Hilfsroboter emsig dabei, viele kleine Brände zu löschen, die mit roten Flammen eine klare Handschrift trugen.

»Na, hoffentlich klappt das.« Ein tiefer Atemzug, dann schlug Azur das Portalregister mit seiner neusten Errungenschaft zusammen.

Das Labor wurde für kurze Zeit in den Azurschimmer getaucht, der selbst Nekos Leuchten für einen Moment überstrahlte.

Ein schweres Rumsen ließ die beiden Kontrahenten kurz innehalten und sich nach Azur umdrehen, der völlig entgeistert vor seinem materialisierten Objekt stand. Die schwere, vergoldete Holztruhe hatte er nicht stemmen können. Aus Reflex griff er nach dem massiven Deckel, um ihn vor dem Herunterrutschen zu bewahren. Denn er hatte die beiden darauf angebrachten Statuetten zweier Cherubim vor der Nase. »Ich bin nicht tot.« geistesblitzte es ihm zwischen den sich berührenden Flügelspitzen der goldenen Engelsabbilder. »Toll, aber so war das nicht gedacht.« Beherzt schlug er auf die Truhe, um die Bücher wieder zu trennen. Ein paar Schritte auf die beiden wieder in den Kampf vertieften Wesen zu – der zweite Versuch. Diesmal erschien das Azurschimmern über ihm und die Bücher aus seinen Händen waren verschwunden. Die Augen ungläubig nach oben verdreht, nahm er sich fluchend den braunen Schatzjägerhut vom Kopf und riss ihn an der breiten Krempe in zwei Teile, die wieder zu den Büchern in seinen Händen wurden. »Alle guten Dinge sind drei«, seufzte er und versuchte sich stärker zu konzentrieren. »Indi, bitte jetzt keine Schlangen oder eine Horde Nazis!«, mahnte er seinen Verstand, schloss die Augen und vereinte die Bücher erneut.

Neko, die gerade so richtig warm wurde, schaltete ihren Berserkermodus noch einen Gang hoch. Die schwarzen Dornenranken erreichten bereits ihre Mundwinkel und ließen ihr gefletschtes Grinsen noch breiter erscheinen. Diesmal zielte sie mit den Klauen direkt auf das unversehrte Auge des Gegners. Sein markerschütternder Schmerzensschrei kam jedoch verfrüht. Nur einen Finger breit bevor sie ihm das Augenlicht zerstechen konnte, riss sie etwas aus der Luft.
Aus den Trümmern des nun brennenden Seziertisches kam nur ein erstickendes Röcheln. In völliger Raserei warf sie sich hin und her, was selbst den Yōkai erstmal Abstand halten ließ. Alles Strampeln und Winden half jedoch nichts. Die lange, blau lodernde Peitsche hatte sich eng um ihren Hals geschnürt. Noch einmal sprang sie dem Cattus-Ursus mit aller Kraft entgegen, doch nur um sofort wieder auf den Boden der Tatsachen gezerrt zu werden.

Das andere Ende der Bullenpeitsche hielt Azur, mehrfach um seinen Unterarm gewickelt, eisern fest. Beim Näherkommen richtete er dem Wandelwicht den Griff der fesselnden Waffe entgegen, den der Stella-Umbra-Injektor mit seiner zeitgebenden Flammendolchklinge bildete. »Geh weg von ihr! Sie gehört mir! Friss was anderes! ... Den da!«
Er zuckte mit der Klinge kurz Richtung totem Dra'ák-Prätor.

Der Yōkai schien entweder nur kurz überrascht, oder ernsthaft beeindruckt von Azurs Fähigkeit zu sein. Auf letzteres wollte sich der Schlichter jedoch nicht unbedingt verlassen. »Neko, du bleibst da sitzen! Verstanden?! Der Spaß ist jetzt vorbei! Basta!« Er hoffte, dass zumindest der Riese nicht mitbekam, wie er dem Flammenkind durch die Fessel langsam die Energie absaugte. Bereit, sich diesmal die Kraft, statt der Zeit, selbst zu injizieren, um den zu erwartenden Vorteil dann gegen ihn einsetzen zu können.

Nun stand er direkt hinter Neko, die ihn zähneknirschend keines Blickes würdigte. Das Griffsymbol des Sterns, das langsam heller wurde, im Augenwinkel, waren seine Nerven kurz vor dem Zerreißen. »Warum zum Winnie-Puh greift er nicht an? Hat er Angst vor mir? Bin ich sowas wie Stufe 14? Gaia-Skala gesprengt?« Doch der Bärenartige machte keine Anstalten. Erkennbar angespannt schnaufte er nur laut durch und wartete ab. Mit tiefem Brummen, fast ein Schnurren, bewegte er sich nicht mehr, doch beeinäugte den Schlichter streng.

»Du beschissener Sklavenhalter! Dreckiger Mensch!«, fauchte es ihn von unten an. »Was willst du jetzt tun? Mich so richtig hart rannehmen? Mich danach mit deinem Schnürchen enthaupten? – Oh, warte, vielleicht ja lieber in umgekehrter Reihenfolge!« Dabei tötete sie den bereits toten Herren noch ein Dutzend weitere Male mit der puren Essenz ihres Hassblicks.

»Halt deinen schmutzigen Rand, du kleine Dämonen-Göre! Nichts dergleichen! Ich werde dir nur solange deinen Staub abnehmen, bis du wieder ohnmächtig wirst! Du kennst das Spielchen doch noch. Und dann nehme ich mir ...«

»Vollidiot! Du willst ein Spiel spielen? Bitteschön! Das wirst du verlieren!« Sie senkte den Kopf und starrte auf ihre scharfen Krallen. Ihre Lungen begannen heftig zu pumpen. Immer schneller, immer angestrengter schäumte sie durch die verbissenen Zähne. Wie der Balg einer unheiligen Schmiede entfachte sie damit in ihrem Inneren eine wütende Glut. Der tiefschwarz verfärbte Narbenmäander auf ihrer Haut fing an, sich zu bewegen, begann blutrot zu glühen, schmolz, kroch über die pulsierenden Venen ihrer Unterarme bis in ihre Handflächen. Mit einem dämonischen Knurren schloss sie die Fäuste und das Rotglühen ihrer Narben ging in Flammen auf. Neko ließ sich mit klickenden Krallen auf alle Viere fallen. Im Raubtiermodus fixierten die schmalen Pupillen ihr Opfer.

Azurs Blick fiel sofort auf ihren Rücken. Unter der verblassten Rune des Flügels machte er eine viel heller brennende, ihm unbekannte aus. Ein geschnittenes Auge starrte ihn an. »Shivas Seele«, sagte ihm sein Bauchgefühl.

Die roten Flammen griffen auf die Peitsche über; verschlangen Bissen um Bissen die Länge des Azurblaus. Der Schlichter konterte, indem er all seine geistige Kraft in die Sehne fließen ließ. Bis er bemerkte, dass das ein Fehler war; das es genau das war, was sie beabsichtigte. Er spürte, wie sie sich nicht etwa ihre Energie zurückholte, sondern ihm mehr und immer mehr von dieser schickte! »Was tust du?«

»Kein Staub, mein dämlicher Freund«, pressten ihre Zähne hervor. »Kein Staub! Verrecke! Verrecke an der puren Macht einer Nekomata!« 

Azur wollte die Peitsche schon fallenlassen, doch die um seinen Arm strömende Energie saugte sich förmlich an ihm fest. »Kein Staub? Hat sie etwa ...« Sein Blick raste durch den Raum. Zum Leichnam des Herrn, aus dem das merkwürdige Leuchten verschwunden war, zu den zersplitterten Glaszylindern, zum ersten Zylinder, den Bissspuren darin, zurück zum Maul des Dra'áks, zu den Glassplittern zwischen seinen Zähnen und zur Inschrift auf dem ersten Zylinder zurück. – Ein blutiges Stück weißen Gedankenpapiers übersetzte die Dra'ák-Runen darauf simultan:

„Philia-Experiment – Testobjekt: 31/32 – Klon-Kern-Basis: Shiva – Sättigung: 2% – Kernprototyp: Modell N.E.K.O. – Status: Fehlschlag – Anmerkung: Objekt ohne Genesis-Klon-Kern unkontrollierbar.
Zu gefährlich, um als Waffe in Betrieb genommen zu werden. – Abschließendes Vorgehen: Objekt zur Kern-Extraktion in S.E.R.V.A.-Einheit auf Quarantäne-Planeten Terra 3-13 deponieren. 
Auf Exekutive 8-1-4. warten. – Priorität: Alpha!"

Genau zwölf Erkenntnisse und sechs Fragen sprengten das Fassungsvermögen seines geistigen Notizzettels. – Einen Schluss zog er aber umgehend daraus. »Einen Ringschluss« detaillierte ihm sein Verstand.

»Dann spiel doch mit dir selbst, du Möchtegern-Shiva! Das Spiel mit dir selbst kannst du nur verlieren ... und den Sieger dann ganz sicher hassen!« Er gab den Widerstand schlagartig auf, ließ ihre Energie in den Griff schießen, sank hinter ihr auf die Knie und stach ihr kurz und schmerzlos den Injektor zwischen die Schulterblätter direkt in Shivas Seelenrune. Der erwartete Kurzschluss ließ das Flammenkind heftig zucken und sich verkrampft aufbäumen. Azur konnte sich aus den Schlingen lösen und wähnte sich bereits als Sieger. Doch was dann geschah, kam für ihn überraschend. Der Yōkai warf sich mit seinem massigen Körper schützend auf Neko und riss ihr den Dolch mit den Zähnen wieder heraus. Mit der Rückhand beförderte er Azur einige Meter davon und schnaubte ihm wütend hinterher.
Als er sich vorsichtig wieder vom Flammendkind erhob, war das aggressive Rot ihres Körpers nur noch eine schwach glimmende Aura; nicht mehr als ein sanfter Schleier, der die Regungslose einhüllte.
Mit seiner riesigen Nase stupste er sie immer wieder an Hals und Brust, schnüffelte nach dem Puls ihres Herzschlags. 

Als der Schlichter sich wieder von dem Schlag erholt hatte, war der Yōkai verschwunden. »Adina? Wo ist er hin?«

»Präsenz Yōkai befindet sich genau vor Ihnen, Herr. Gefahr!«

Ungläubig stand er auf, musterte fluchtbereit jeden Winkel des Labors. »Das kann doch nicht sein! Wo steckst du?« Einen Schritt nach dem anderen schlich er wieder auf Neko zu. Dann stoppte er. »Was ist das für ein Geräusch ...?« Noch einen Schritt mit gespitzten Ohren und er entdeckte die Quelle des leisen Schnurrens.
»Wusste ich's doch! Wie kommst du denn hier her? – Natürlich. Der Rucksack.«
Nekos Körper, der in Embryonalhaltung auf der Seite lag, barg in bewusstloser Umarmung den nich kleinen Krümel, sondern größer. Nur nich zu groß. Halt eher mittel-groß-kleinen Krümel‹ – Krume, wie Neko, alias Philia, ihn vor nicht allzu langer Zeit taufte. Ein prüfender Katzenblick in Azurs Augen, um sichdessen Erkenntnisgewinn zu versichern, dann schleckte die kleine, raue Zunge der schlafenden Freundin weiter liebevoll das Dra'ák-Blut aus dem unschuldigen Gesicht. 
»Zeit, alles wieder ins Lot zu bringen, Hrafnáss-Krume-chan, du halbblinder Passagier«, schmunzelte er. »Lässt du mich unseren kleinen Satansbraten anfassen? Ich weiß, was jetzt zu tun ist.«

Krume nieste einmal, zur Bestätigung, stand dann auf, streckte sich einmal ausgiebig den kleinen Katzenkörper und gab Nekos Nasenspitze noch ein letztes Zungenküsschen. »Hraff-Nass, Hrrrraff!«, bellte er Azur mit einem oberlehrer-verdächtigen Blick zu, dann strich er ihm zutraulich um die Beine.

»Adina? Wo sind die erwähnten Reinkarnationskammern?« Er hob die friedlich schlummernde Neko behutsam in die Arme.

»Raum 13. Zu Eurer Rechten, Herr.«

»Wo auch sonst ...«, seufzte Azur und steuerte die Tür an. »Es wird alles wieder gut, kleiner Katastrophen-Zwerg. Das verspreche ich dir!«

Surrend glitt das Glas beiseite und sie betraten zu dritt die
Kammer-Sektion des Genetiklabors.

»Herr? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, was Ihr da vorhabt ... Und:

Relicuus Tempus: 27h:50m:00s,
wenn ich das hinzufügen dürfte.«

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